Die Klimakrise hat in den letzten Jahren zunehmend mehr Aufmerksamkeit bekommen. Es wird mehr berichtet über die Demonstrationen von Fridays for Future, die Politik wird mehr an ihrer Umweltschutzstrategie gemessen und die meisten Unternehmen versuchen sich irgendwie zum Thema Nachhaltigkeit zu positionieren. Spätestens durch die Veränderung des Angebots dringt die Klimakrise auch in den Alltag eines jeden Bürgers ein und verlangt neue Aspekte in die Kaufentscheidung einzubeziehen, wenn man denn will.
Der Mensch trifft am Tag 20.000 Entscheidungen, wenn er einkaufen geht alleine 200. Geht man jetzt zu Rewe nebenan oder fährt man mit dem Auto zum nächsten Bio-Markt? Kauft man jetzt das Gemüse in Plastikverpackung aus Deutschland oder die 'nackte' Gurke aus Spanien. Sind vegane Inhaltsstoffe bei einer Feuchtigkeitscreme besser oder sollte lieber die Verpackung aus recyceltem Plastik bestehen? Entziehe ich den Näherinnen in Bangladesh ihren Job, wenn ich nur noch nahhaltige Mode aus Portugal kaufe? Kaufe ich pflanzliche Milch nach Wasserverbrauch oder Landnutzung? Ich könnte ewig weiterfragen.
Ein paar dieser Entscheidungen haben sich in meiner alltäglichen Routine schon aufgelöst: der Bio-Supermarkt ist direkt um die Ecke, ich denke zum Glück mittlerweile immer an meine eigenen Beutel und Einkaufstaschen und bei der Auswahl der Produkte kann ich mir über den Bio- Faktor ja schon mal sicher sein. Gehe ich aber zum nächsten Drogeriemarkt, um etwas anderes zu besorgen, geht das ganze Entscheidungs-Drama wieder von vorne los. Erledigungen, die mich früher höchstens fünf Minuten gekostet haben, dauern mittlerweile mindestens dreimal so lang. Erstmal muss ich das Regal mit dem veganen Shampoo und den recycelten Verpackungen finden. Dann muss ich mich zwischen den Produkten entscheiden, ehe ich auf den Preis schaue und denke: werde ich für meinen versucht bewussten Konsum jetzt auch noch bestraft?
Häufig komme ich wieder nach Hause und fühle mich überwältigt und im Stich gelassen. Ich wünsche mir mit einem bewussten Konsum etwas Umweltschutz zu betreiben, doch fühlt sich das in keinem Fall 'empowering' an. Ich fühle mich, als trage ich mit jeder meiner Kaufentscheidungen das Gewicht der planetaren Zukunft auf meinen Schultern und als könnte ich dieser mit keiner der vorhandenen Lösungen gerecht werden.
Das Gefühl trügt leider nicht. In den meisten Fällen kann die endgültige Produktauswahl nicht alle relevanten Bedarfsfelder des umweltfreundlichen, klimaschützenden, ressourcenschonenden und fairen Konsums (usw.) berücksichtigen. Doch das liegt nicht an der eigenen Entscheidungsfindung, sondern an dem Angebot und der vorhandenen Struktur des Marktes.
„Was bewusst machen bedeutet? Zu erkennen, was man tut, und zu frage, warum man es tut. Wer nicht hinterfragt, was und warum er es tut, kann sich auch nicht entscheiden, anders zu handeln.“ — Maja Göpel in Die Welt neu denken
Der globale Markt ist unüberschaubar und auch die Auswahl an umweltfreundlichen Innovationen überfordert bereits die menschliche Kapazität eine ausgewogenen Entscheidung zu treffen. In dieser Serie werde ich auf verschiedene Handlungsbereiche eingehen: Ernährung, Slow Fashion, neue Mobilität, Wohnen und Reisen. Mit ein paar Informationen und Tipps für das entsprechende Feld steigern wir die Relevanz des individuellen Konsums für den Umweltschutz (Ich verwende absichtlich den Begriff Umweltschutz und nicht Klimaschutz, da unser Konsumverhalten Auswirkungen hat, die über das Klima hinausgehen. Es betrifft eben auch unsere Umwelt, also alles, was und umgibt: Pflanzen, Tiere und Menschen).
Denn es soll hier nicht der Eindruck entstehen, dass man mit bewusstem Konsum nicht auch einen Teil zum Umweltschutz beitragen kann. Die Handlungsfelder Bauen & Wohnen, Mobilität und Ernährung sind für 70 bis 80 Prozent der Umweltfolgen des Konsums verantwortlich (Umweltbundesamt). Die Rangfolge dieser drei Felder sind abhängig von der „betrachteten Wirkungskategorie“. Sollen Treibhausgase reduziert, die nachhaltige Nutzung von Landflächen garantiert oder das Photooxidantienbildungspotenzial gesenkt werden.
Außerdem gilt es auch zu verstehen, dass Konsum im modernen Ausmaß zwar häufig übertrieben wird, aber natürlich auch unsere Wirtschaft ankurbelt. Es scheint nach einer ‚einfachen‘ Lösung, aber kein Konsum, basierend auf dem ultimativen Ziel dem Umweltschutzes, verlangsamt den Absatz und würde letztendlich in eine Rezession führen. Es braucht also eine Lösung, die über einzelne KonsumentenInnen hinausgeht und einen Politikwandel in Schwung bringt. Einkaufen sollte nicht nur nachhaltig sein, wenn man möglichst intensiv das Kleingedruckte auseinander genommen hat. Sondern, wenn sich der Markt so formieren muss, dass es für Unternehmen nicht mehr profitabel ist, ein Produkt zu verkaufen, das der Umwelt mehr schadet als es für ihr langfristiges überleben sorgt.
Ist man also UnternehmerIn, kann man dazu beisteuern, eine Veränderung des Marktes anzustoßen. Doch natürlich stehen auch hier viele Türen, im Sinne von Marktmechanismen, eher zu als offen. Wer kann diese Türen aber öffnen? Die Politik. Der Staat kann in den Markt eingreifen und eine nachhaltige Entwicklung initiieren, zum Beispiel durch einen (höher als der aktuelle) CO2-Preis. Die Politik kann auch neue Messgrößen für Wachstum (neben dem BIP) ins Leben rufen: Neuseelands Premierministerin verabschiedete sich 2019 von Wachstum und Produktivität als Kennzahlen für Regierungserfolg. Stattdessen implementierte sie fünf neue Prioritäten, zu denen alle neuen Ausgaben der Regierung einen Beitrag leisten müssen: unter anderem Reduktion der Kinderarmut und Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft mit geringen Emissionen.
Die Beschäftigung mit der Lösung dieses unheimlich komplexen Problems, sprengt ein wenig den Rahmen dieses Artikels. Es gibt eine Menge spannender Bücher, die die Ansätze viel wissenschaftlicher und vermutlich auch verständlicher wiedergeben, als ich es hier versuche. Das Gute ist allerdings, denke ich, es gibt nicht nur einen Ansatz, sondern eine bunte Auswahl. Jeder und jede kann fündig werden und durch sein individuelles Konsumverhalten und die Teilnahme an politischen Wahlen eine Anfang machen.
Bewusster Konsum wird die Welt nicht retten. Nicht jede Konsumentscheidung bestimmt das Schicksal dieses Planeten. Lege für Dich ein paar Prinzipien fest, die dich in deiner Entscheidungsfindung unterstützen. Fordere darüber hinaus indirekt eine Veränderung des Marktes ein, indem Du wählen gehst.
Quellen:
https://nachhaltigerkonsum.info
https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag
Podcast: How to fix it von Business Punk, #19 mit Mimi Sewalski vom Avocado Store über Nachhaltigkeit
Bücher: Unsere Welt neu denken von Maja Göpel, Wir sind das Klima von Jonathan Safran Froer
Apps: Vytal App für Takeaway Essen ohne Plastik, Too good to go für weniger Lebensmittelverschwendung